Mehl und Wasser: So übersichtlich die Zutaten für Natursauerteig, so faszinierend der Prozess, der sich in Gang setzt, lässt man die beiden länger zusammen allein. Drängen lässt sich das Lebensmittel dabei allerdings nicht. Franz Honeder kann das nur bestätigen: „Sauerteig ist der eigentliche Chef in unserer Backstube.“

Er ist eine Diva, keine Frage: Muss ständig gefüttert werden mit bestem Mehl und Wasser, mag es, ordentlich durchgeknetet zu werden, hasst schwankende Temperaturen – und irgendwann will er einfach nur in Ruhe gelassen werden. In der Honeder Naturbackstube dauert diese Ruhe mehr als 18 Stunden, erst dann kommt der Sauerteig zu den Brotteigen dazu. Milchsäurebakterien im Mehl säuern den Teig, natürliche Hefen vergären die Stärke und bilden Kohlendioxid – und sind im Sauerteig das Triebmittel, welches das Brot lockert. Das Ergebnis dieser Fermentierung: ein Brot mit knuspriger Kruste und lockerer Krume. Neben Roggenbroten, die ohne die Säure im Sauerteig gar nicht backfähig wären, setzt man bei Honeder Sauerteige auch bei Weizen- und Dinkelbroten ein.

Für Bäcker ist Natursauerteig die Seele des Brotes. Entstanden wohl als Zufallsprodukt bei den alten Ägyptern, als ein Getreidebrei zu gären begann, ist Sauerteig heute ein Stück Kulturgut, dem man im belgischen St. Vith sogar ein Museum errichtet hat: eine Sauerteig-Bibliothek mit unterschiedlichsten Geschmacksprofilen, um die Sortenvielfalt zu sichern. In dieser Hall of Fame, so hofft man in Engerwitzdorf, wird eines Tages auch ein Glas mit Sauerteig aus der Naturbackstube stehen. Derweil entwickelt Juniorchef Franz Honeder die Sauerteige immer weiter. Sein Ziel: Gebäck, Plunder und Brioches künftig auch mit Weizen-, Dinkel-, und Vollkornsauerteigen zu backen.

Für Bäcker ist Natursauerteig die Seele des Brotes.

Nun wäre der Sauerteig kein Sauerteig, hätte er nicht noch mehr Allüren: Er lockert nicht rund um die Uhr das Brot, sondern nur während eines gewissen Reifestadiums von circa zwei bis vier Stunden. Da jedoch in der Honeder Naturbackstube täglich über mehrere Stunden frisches Brot produziert wird, kann nicht das gesamte Brot in genau diesem Zeitfenster gebacken werden. „Also unterstützt Frischhefe die gleichbleibende Qualität“, sagt Franz Honeder.

Bäcker können ihren Produkten mit Natursauerteig ein ganz eigenes Geschmacksprofil geben: Die einzigartigen Aromen – nussig, fruchtig oder erdig –, hängen vom Mehl-Wasser-Verhältnis ab, davon, welche Teigtemperaturen herrschen und wie lange der Sauerteig reift. Und mit den frisch vermahlenen Gewürzen wie Kümmel, Anis, Fenchel und Koriander lassen sich die starken Röstaromen in der Kruste abrunden.

Franz Honeder hat sogar daheim einen Sauerteigansatz stehen, weil ihn der Teig mitsamt seinen Mikroorganismen fasziniert: Wie ein Lebewesen ist dieser zu hegen und pflegen, und vergisst man ihn zu füttern, kann er rasch verhungern. Sobald das Sauerteigbrot allerdings auf heißen Steinplatten backt, ist es mit dem Lebendigen vorbei: die Hefen und Milchsäurebakterien werden bei Ofenhitze inaktiviert.

Und dann schmeckt das Brot so unverwechselbar, wie es nur ein naturgesäuertes Brot kann. Dabei ist es besonders bekömmlich, weil wir die Mineralstoffe aus dem Getreide besser verwerten und verdauen können. Für die alten Ägypter war Sauerteigbrot übrigens Gold wert:
Sie sollen es auch als Zahlungsmittelbenutzt haben.

Naturgesäuertes Brot ist besonders bekömmlich, weil wir die Mineralstoffe aus dem Getreide besser verwerten und verdauen können.


Text: Mareike Steger / Fotografie: Robert Maybach